Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags bei Verschmelzung und die damit verbundene Auswirkung auf den Bestand des steuerlichen Einlagekontos

Nach der am 30.4.2024 veröffentlichten Entscheidung des FG Düsseldorf v. 13.3.2024, 7 K 2493/21 F,AO, wird im Zuge einer Verschmelzung unabhängig vom Zeitpunkt des zivilrechtlichen Vermögensübergangs auf den übernehmenden Rechtsträger - nämlich dem Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister, § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG - für steuerliche Zwecke ein Übertragungsstichtag fingiert, bei dem es sich um den Stichtag der der Umwandlung zugrundeliegenden Bilanz als steuerlich maßgeblicher Übertragungsstichtag handelt. Für Zwecke des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG bedeutet dies, dass der übernehmenden Kapitalgesellschaft der Bestand des steuerlichen Einlagekontos der übertragenden Kapitalgesellschaft nach § 29 Abs. 2 Satz 1 KStG zugerechnet wird und dieser zuzurechnende Betrag identisch ist mit dem für die übertragende Kapitalgesellschaft auf den steuer lichen Übertragungsstichtag gem. § 2 Abs. 1 UmwStG nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG gesondert festzustellenden Betrag (Endbestand). Der Zugang ist in dem Wirtschaftsjahr vorzunehmen, in das der steuerliche Übertragungsstichtag der Verschmelzung fällt. 

Sachverhalt: 

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der V.AG. Im Jahr 2019 wurde die V.AG (übertragende Gesellschaft) auf die S. (übernehmende Gesellschaft) verschmolzen (Down-Stream Merger). Die Übernahme des Vermögens der übertragenden Gesellschaft erfolgte vertraglich im Innenverhältnis mit Wirkung zum 31.12.2018 0:00 Uhr. Von diesem Zeitpunkt an galten alle Handlungen und Geschäfte der übertragenden Gesellschaft als für Rechnung der übernehmenden Gesellschaft vorgenommen (Verschmelzungsstichtag i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG). Der Verschmelzung lag jedoch die Schlussbilanz der V.AG auf den 30.6.2019 zugrunde (§ 17 Abs. 2 S. 1 UmwG). Die Anmeldung der Verschmelzung zum Handelsregister erfolgte am 15.10.2019 unter Einreichung einer Bilanz auf den 30.6.2019 der übertragen den Rechtsträgerin. Die Verschmelzung wurde anschließend im Handelsregister der übertragenden Rechtsträgerin sowie der übernehmenden Rechtsträgerin eingetragen. 

Im weiteren Verlauf stritten die Beteiligten über die mit der Verschmelzung verbundenen Auswirkungen auf den festzustellenden Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018 bei der übertragenden Gesellschaft. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Verschmelzung handelsrechtlich und steuerrechtlich die Schlussbilanz der V. AG zum 30.12.2018 zugrunde zu legen sei und damit die nach § 29 KStG erforderliche Kapitalveränderung aufgrund des Verschmelzungsvorgangs bei der Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018 erfolgen müsse. Das Finanzamt war der Ansicht, dass für die Ermittlung des steuerlichen Übertragungsstichtags auf den Bilanzstichtag 30.6.2019 abzustellen wäre, da die erfolgte Eintragung im Handelsregister auf der Bilanz zum 30.6.2019 beruhe. Die Kapitalveränderung aufgrund des Verschmelzungsvorgangs bei der Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos berücksichtigte das Finanzamt erst im Folgejahr (2019). 

Hiergegen wendet sich die Klage beim FG Düsseldorf. 

Entscheidungsgründe: 

Die Klage ist unbegründet. Zutreffend hat das Finanzamt im angegriffenen Feststellungsbescheid den Bestand des steuerlichen Einlagekontos der V. AG zum 31.12.2018 ohne Kapitalveränderung festgestellt. Denn die Verschmelzung ist nicht (schon) bei den Feststellungen auf den 31.12.2018 steuerlich zu berücksichtigen. 

Entgegen der Auffassung der Klägerin fällt der steuerliche Übertragungsstichtag im Streitfall nicht in den Veranlagungszeitraum 2018. Das Finanzamt hat deshalb zu Recht keinen Zugang beim steuerlichen Einlagekonto der V. AG aufgrund der Verschmelzung (§§ 29 Abs. 1 i.V.m. 28 Abs. 2 Satz 1 KStG) zum 31.12.2018 erfasst. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie des übernehmenden Rechtsträgers so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), ganz oder teilweise auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen wäre.

Die Norm enthält eine Fiktion, wonach bezogen auf die übertragende Körper schaft sowie den übernehmenden Rechtsträger die Einkommens- und Vermögensermittlung so vorzunehmen ist, als wäre die Übertragung des betreffenden Vermögens von der übertragenden Körper schaft auf den übernehmenden Rechtsträger bereits mit Ablauf des vorangegangenen steuerlichen Übertragungsstichtages erfolgt. Für steuerliche Zwecke wird danach unabhängig vom Zeitpunkt des zivilrechtlichen Vermögensübergangs auf den übernehmenden Rechtsträger - nämlich dem Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister, § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG - ein Übertragungsstichtag fingiert, bei dem es sich um den Stichtag der der Umwandlung zugrundeliegenden Bilanz als steuerlich maßgeblicher Übertragungsstichtag handelt (BFH v. 22.9.1999, II R 33/97, BStBl II 2000, 2; v. 24.4.2008, IV R 69/05, HFR 2008, 960; v. 17.1.2018, I R 27/16, BStBl II 2018, 449).

Für Zwecke des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG bedeutet dies, dass der übernehmenden Kapitalgesellschaft der Bestand des steuerlichen Einlagekontos der übertragenden Kapitalgesellschaft nach § 29 Abs. 2 Satz 1 KStG zugerechnet wird und dieser zuzurechnende Betrag identisch ist mit dem für die übertragende Kapitalgesellschaft auf den steuerlichen Übertragungsstichtag gem. § 2 Abs. 1 UmwStG nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG gesondert festzustellenden Betrag. Der Zugang ist in dem Wirtschaftsjahr vorzunehmen, in das der steuerliche Übertragungsstichtag der Verschmelzung fällt (vgl. Stimpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 29 Rn. 32, 36 m.w.N.; BMF-Schreiben v. 11.11.2011, IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl I 2011, 1314, Rn. K.09). 

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG muss der Verschmelzungsvertrag den Zeitpunkt, von dem an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten (Verschmelzungsstichtag), enthalten. Der Anmeldung zum Register des Sitzes je des beteiligten Rechtsträgers ist gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 UmwG eine Bilanz dieses Rechtsträgers beizufügen (Schlussbilanz). Das Registergericht darf die Verschmelzung nur eintragen, wenn die Bilanz auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist (§ 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG). Wird die Verschmelzung dennoch - also bei Überschreiten der Acht-Monats-Frist eingetragen - tritt eine Heilung ein (§ 20 Abs. 2 UmwG), mit der Folge, dass die steuerlichen Rückwirkungsfolgen auf den Stichtag der beim Registergericht eingereichten Schlussbilanz eintreten (vgl. etwa Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwG, UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 2 UmwStG Rn. 20). 

Entgegen der Ansicht der Klägerin meint die in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG genannte „Bilanz, die dem Vermögensübergang zu Grunde liegt“, die Bilanz i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 UmwG. Dies entspricht sowohl der Rechtsprechung des BFH (BFH v. 24.4.2008, IV R 69/05, HFR 2008, 960: „Es ist unbestritten, dass mit der Bilanz in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 die Schlussbilanz des § 17 Abs. 2 UmwG gemeint ist“; v. 7.4.2010, I R 96/08, BStBl II 2011, 467; v. 17.1.2018, I R 27/16, BSt Bl II 2018, 449), als auch der h.M. in der Literatur (vgl. nur Loose in Brandis/Heuermann, Ertragsteu errecht, § 2 UmwStG Rn. 1, 7, 18; Slabon in Haritz/Menner/Bilitewski, UmwStG, 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 6; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwG, UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 2 UmwStG Rn. 18; § 17 Um wG Rn. 42) sowie der Ansicht der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 11.11.2011 IV C 2-S 1978- b/08/10001//2011/0903665, BStBl I 2011, 1314, Rn. 02.02). Der erkennende Senat sieht keine Veran lassung, von dieser Sichtweise abzuweichen. 

Nach diesen Grundsätzen lag der steuerliche Übertragungsstichtag im Veranlagungszeitraum 2019, denn dem Vermögensübergang lag die Bilanz zum 30.6.2019 zugrunde.

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Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln. Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 18/2024 vom 07.05.2024 veröffentlicht