Formwirksamkeit einer über das bSt einer Berufsausübungsgesellschaft eingereichten Klage
Foto(s): ChatGPT, urheberfrei
Nach der am 26.8.2024 veröffentlichten Entscheidung des FG Köln vom 11.6.2024, 12 K 1356/23, kann eine finanzgerichtliche Klage in zulässiger Weise durch Einreichung als elektronisches Dokument über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach einer Berufsausübungsgesellschaft erhoben werden, auch wenn die Klage vom Absender nur handschriftlich unterschrieben und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen gewesen ist.
Sachverhalt:
Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung einen Verlust nach § 17 EStG aus seiner Beteiligung an der B GmbH und nachträgliche Betriebsausgaben zu dieser Beteiligung geltend. Nachdem das Finanzamt diese Sachverhalte nicht anerkannte und auch der Einspruch erfolglos geblieben ist, wandte sich der Kläger an das Finanzgericht Köln.
Der Kläger erhob im Namen der A GmbH Steuerberatungs-Gesellschaft als seine Prozessbevollmächtigte Klage, die ausweislich des seitens des Gerichts erzeugten Prüfvermerks über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach der A GmbH Steuerberatungsgesellschaft Berufsausübungsgesellschaft übermittelt wurde. Der Kläger war im Handelsregister seit 2017 als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der A GmbH Steuerberatungs-Gesellschaft eingetragen. Die nicht qualifiziert signierte pdf-Datei der Klageschrift war von dem Kläger handschriftlich unterschrieben und ausweislich des gerichtsseitig erstellten Prüfvermerks vom 23.7.2023 an diesem Tage um 13:21:08 Uhr bei Gericht eingegangen. Der Prüfvermerk trägt den Hinweis: „Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Steuerberaterpostfach.“
Mit Hinweisschreiben vom 25.10.2023 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Formwirksamkeit der Klageerhebung bestehen könnten, da aus dem Prüfvermerk nicht ersichtlich sei, ob der Unterzeichner des Schreibens dieses auch abgesendet habe, da der Prüfvermerk als Absender lediglich die Berufsausübungsgesellschaft nenne.
Entscheidungsgründe:
Der erkennende Senat entscheidet über die Frage der Formwirksamkeit der Klage durch Zwischen-Gerichtsbescheid gemäß §§ 97, 90a FGO. Die Klage ist formwirksam erhoben worden und damit zulässig.
Wird die Klage als elektronisches Dokument eingereicht, muss dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein, § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO. Das elektronische Dokument ist dazu nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) im Dateiformat PDF zu übermitteln. Diesen Anforderungen entsprach die am 23.7.2023 bei Gericht eingegangene Klageschrift (vgl. dazu § 52a Abs. 5 Satz 1 FGO). Das elektronische Dokument muss des Weiteren entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden, § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO. In letzterem Fall dient der sogenannte vertrauenswürdige Herkunftsnachweis (vHN) - ein Zertifikat, das gemeinsam mit dem elektronischen Dokument übermittelt wird - dem Nachweis, dass eine Nachricht aus einem bestimmten Postfach, etwa einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach oder einem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach, versandt wurde (vgl. ausführlich zum vHN: BAG v. 5.6.2020, 10 AZN 53/20, BAGE 171, 28; BVerwG v. 12.10.2021, 8 C 4.21, NVwZ 2022, 649). Auch diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Klageschrift ist (einfach) signiert i.S.d. § 52a Abs. 3 Satz 1 2. Alt. FGO. Die (einfache) Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus ei nem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift (vgl. zum wortgleichen § 130a Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO): BAG v. 14.9.2020, 5 AZB 23/20, BAGE 172, 186 und BGH v. 7.9.2022, XII ZB 215/22, NJW 2022, 3512). Die einfache Signatur soll - ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. zum wortgleichen § 130a ZPO: BGH v. 7.9.2022, XII ZB 215/22, NJW 2022, 3512). Dem wird die Klageschrift durch die eigenhändige eingescannte Unterschrift gerecht.
Die Klageschrift ist auch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden. Ein sicherer Übermittlungsweg ist nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO unter anderem der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt), über das die Klage übermittelt wurde, ist ein sicherer Übermittlungsweg in diesem Sinne (vgl. BFH v. 8.5.2024, II R 3/23; v. 2.2.2024, VI S 23/23, BFH/NV 2024, 415 und v. 28.4.2023, XI B 101/22, BStBl. II 2023, 763). Es handelt sich um ein auf gesetzlicher Grundlage (§ 86d f. Steuerberatungsgesetz, StBerG) im Zeitpunkt der Klageerhebung errichtetes (vgl. § 157e StBerG) elektronisches Postfach.
Soweit in der Rechtsprechung bei Übermittlung eines nicht qualifiziert signierten Dokumentes aus dem besonderen elektronischen Postfach einer Einzelperson verlangt wird, dass die das Dokument (einfach) signierende Person und die des tatsächlichen Versenders übereinstimmen müssen (vgl. dazu zum wortgleichen § 130a Abs. 3 ZPO: BAG v. 5.6.2020, 10 AZN 53/20, BAGE 171, 28 bzw. zum wort gleichen § 65a Abs. 3 SGG: BSG, Beschluss v. 18.11.2020, B 1 KR 1/20 B), steht dies der Formwirksamkeit der Klageerhebung vorliegend nicht entgegen. Zwar lässt sich aus dem gerichtsseitig erstellten Prüfvermerk über die als elektronisches Dokument eingegangene Klageschrift nicht erkennen, welche Einzelperson die Klageschrift über das beSt der Berufsausübungsgesellschaft versendet hat, insbesondere ob die Versendung durch den Kläger als Unterzeichner der Klageschrift erfolgte. Die Frage der Personenidentität zwischen Unterzeichner und Postfachinhaber muss in diesem Fall jedoch berücksichtigen, dass das Postfach hier nicht einer Einzelperson, sondern einer Körperschaft zugeordnet ist (ebenso zur vergleichbaren Problematik beim besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo): BVerwG v. 18.5.2020, 1 B 23/20, 1 PKH 14/20, juris). Es entspricht dem expliziten Willen des Gesetzgebers, dass auch Berufsausübungsgesellschaften über das beSt wirksam nicht qualifiziert signierte elektronische Dokumente übermitteln können sollen. Das folgt bereits unmittelbar aus § 86e Abs. 2 StBerG, wonach die Steuerberaterkammer der Bundessteuerberaterkammer zum Zweck der Einrichtung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs unter anderem die Familiennamen und den oder die Vornamen und die Berufe der gesetzlich vertretungsberechtigten Berufsträger, die befugt sind, für Berufsausübungsgesellschaften Dokumente mit einer nicht-qualifizierten elektronischen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, übermittelt. Zudem leitet der 4. Senat des BFH aus den §§ 86e und 157e StBerG eine Pflicht zur Nutzung des beSt für jede im Steuerberaterverzeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft (Steuerberatungsgesellschaft) ab (vgl. BFH v. 23.1.2024, IV B 46/23, Rn. 5).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. So war der Kläger als Unterzeichner der Klageschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Prozessbevollmächtigten A GmbH Steuerberatungs-Gesellschaft, die Klageschrift wurde über das auf diese eingerichtete beSt übermittelt und war zudem mit einem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis versehen („Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Steuerberaterpostfach.“). Zwar trifft es zu, dass die einfache Signatur in Verbindung mit der Übermittlung über das beSt einer Berufsausübungsgesellschaft, anders als die qualifizierte elektronische Signatur, keine Möglichkeit bietet, die Herkunft des Dokuments von einem konkreten Sachbearbeiter rechtssicher nachzuweisen. Dies ist jedoch, genau wie beim besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo), bei dem ebenfalls keine Möglichkeit be steht, die Herkunft des Antrags von einem konkreten Sachbearbeiter rechtssicher nachzuweisen, hinzunehmen (ebenso zum beBPo: BGH v. 6.4.2023, I ZB 84/22, NJW-RR 2023, 906).
Beratungshinweis:
Soweit der 10. Senat des BFH jüngst Zweifel geäußert hat, ob die Steuerberaterplattform- und -postfachverordnung wirksam geworden ist (vgl. BFH v. 17.4.2024, X B 68, 69/23, DStR 2024, 1127), konnte der erkennende Senat dies hier offenlassen. Zwar folgert der 10. Senat des BFH aus diesen Zweifeln an der Wirksamkeit der StbPPV auch Zweifel an der aus § 52d Satz 2 FGO
folgenden Pflicht zur Nutzung des beSt. Auf diese kommt es vorliegend indes nicht an, da die Übermittlung über ein beSt-Postfach erfolgte. Allein entscheidend war vorliegend, ob es sich beim beSt um einen sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO handelt
Haben Sie konkrete Fragen oder benötigen Sie rechtliche Beratung zu diesem Thema? Unser Team steht Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns noch heute für eine individuelle Beratung.
Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln. Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 35/2024 vom 02.09.2024 veröffentlicht