Abwärmevermeidung und -nutzung nach dem EnEfG – Was Unternehmen jetzt beachten müssen
Foto(s): ChatGPT, urheberfrei
Mit dem Inkrafttreten des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) im Jahr 2023 wurden neue Pflichten zur Vermeidung und Nutzung von Abwärme eingeführt. Insbesondere Unternehmen, die industrielle Anlagen betreiben, müssen sich mit den Vorgaben des § 16 EnEfG auseinandersetzen. Dabei stellt sich häufig die Frage, ob die Regelung überhaupt anwendbar ist – insbesondere im Zusammenspiel mit den bestehenden Vorschriften des Immissionsschutzrechts.
Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Regelungssystematik, die Ausnahmen und die Grenzen der Zumutbarkeit.
1. Abwärmevermeidung und -nutzung nach § 16 EnEfG
Nach § 16 Abs. 1 EnEfG sind Unternehmen verpflichtet, Abwärme nach dem Stand der Technik zu vermeiden bzw. auf den technisch unvermeidbaren Anteil zu reduzieren. Ergänzend dazu verpflichtet § 16 Abs. 2 EnEfG dazu, die verbleibende Abwärme durch geeignete Maßnahmen energetisch zu nutzen – etwa zur internen Weiterverwendung oder zur Einspeisung in externe Netze.
Beide Pflichten stehen unter dem Vorbehalt der technischen, wirtschaftlichen und betrieblichen Zumutbarkeit. Verstöße gegen § 16 Abs. 1 (Abwärmevermeidung und -reduzierung) können nach § 19 Abs. 1 Nr. 7 EnEfG als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern geahndet werden.
2. Keine Anwendung bei immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen
Eine wichtige Einschränkung ergibt sich aus § 16 Abs. 3 EnEfG. Danach gelten die Pflichten zur Abwärmevermeidung und -nutzung nicht, wenn:
die Anlage nach § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftig ist,
und für die Anlage spezielle Anforderungen zur Abwärmenutzung im BImSchG oder in darauf gestützten Vorschriften bestehen.
Nach dem aktuellen Rechtsverständnis ist dieser Anwendungsvorrang weit auszulegen. Das bedeutet: Es reicht aus, dass die betreffende Anlage in Anlage 1 der 4. BImSchV aufgeführt ist. In diesem Fall greift die Ausnahme des § 16 Abs. 3 EnEfG selbst dann, wenn in der konkreten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung keine ausdrücklichen Vorgaben zur Abwärmevermeidung oder -nutzung gemacht wurden.
Es genügt, dass auf abstrakter Ebene energieeffizienzbezogene Anforderungen durch das Immissionsschutzrecht bestehen oder bestehen können. Eine zusätzliche Anwendung des § 16 EnEfG kommt dann nicht mehr in Betracht.
Es ist jedoch abzuwarten, ob es bei diesem weiten Verständnis des Anwendungsvorrangs bleibt.
3. Anwendungsbereich – Wann gelten die EnEfG-Pflichten?
Die Pflicht zur Abwärmevermeidung und -nutzung nach dem EnEfG besteht nur dann, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
Ø Die jeweilige Anlage ist nicht in Anlage 1 der 4. BImSchV aufgeführt, und
Ø der durchschnittliche Endenergieverbrauch des Unternehmens betrug in den letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahren mehr als 2,5 Gigawattstunden pro Jahr.
Fällt die Anlage unter die 4. BImSchV oder bleibt der Energieverbrauch unterhalb dieser Schwelle, greift § 16 EnEfG nicht.
4. Die Zumutbarkeitsprüfung im Überblick
Selbst wenn der Anwendungsbereich eröffnet ist, bestehen die Pflichten nach § 16 EnEfG nur insoweit, wie sie zumutbar sind. Dabei sind drei Zumutbarkeitskriterien maßgeblich:
4.1 Technische Zumutbarkeit
Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob sich die in der Anlage entstehende Abwärme nach dem Stand der Technik vermeiden oder reduzieren lässt. Maßgeblich sind insbesondere die europäischen BVT-Schlussfolgerungen (Beste Verfügbare Techniken). Eine Maßnahme ist dann technisch zumutbar, wenn sie unter Berücksichtigung des Standes der Technik technisch realisierbar und sinnvoll ist.
4.2 Wirtschaftliche Zumutbarkeit
Wirtschaftlich ist eine Maßnahme zumutbar, wenn sie sich nach DIN EN 17463 (VALERI) innerhalb von höchstens 50 % der Nutzungsdauer mit einem positiven Kapitalwert rechnen lässt – allerdings begrenzt auf Maßnahmen mit einer maximalen Nutzungsdauer von 15 Jahren.
Dabei sind sowohl die Investitionskosten als auch mögliche Einsparungen beim Energieverbrauch sowie Einnahmen aus der Abwärmenutzung (z. B. Verkauf an Dritte) zu berücksichtigen. Für externe Wärmelieferungen sind die Preise aus dem jeweiligen Abwärmeliefervertrag anzusetzen.
4.3 Betriebliche Unzumutbarkeit
Der Begriff der betrieblichen Unzumutbarkeit dient als Auffangtatbestand für Fälle, in denen eine Maßnahme zwar technisch und wirtschaftlich möglich wäre, aber rechtlich oder organisatorisch unzumutbar ist.
Beispiele hierfür sind:
Der Verlust von Bestandsschutz durch bauliche Änderungen an der Anlage,
Genehmigungspflichtige Umbauten, die betrieblich nicht sinnvoll oder realisierbar sind,
Langfristige Investitions- oder Stilllegungskonzepte, die kurzfristige Maßnahmen zur Abwärmenutzung konterkarieren würden.
5. Fazit
Unternehmen, die Anlagen mit relevantem Abwärmeaufkommen betreiben, sind gut beraten, die Anwendbarkeit der EnEfG-Pflichten sorgfältig zu prüfen. Nach aktueller Rechtsauffassung ist der Anwendungsvorrang des Immissionsschutzrechts weit auszulegen. Es genügt, dass eine Anlage unter Anlage 1 der 4. BImSchV fällt – in diesem Fall entfällt die Anwendung des § 16 EnEfG regelmäßig.
Ist die Vorschrift dennoch anwendbar, gelten die Pflichten zur Abwärmevermeidung und -nutzung nur im Rahmen des technisch, wirtschaftlich und betrieblich Zumutbaren. Eine pauschale Verpflichtung besteht nicht.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne bei der rechtlichen Prüfung der Anwendbarkeit, der Erstellung von Wirtschaftlichkeitsanalysen sowie bei der rechtssicheren Argumentation gegenüber den zuständigen Behörden.