Vorteilseignung einer vGA aufgrund ersparten Aufwands
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Nach der am 12.9.2024 veröffentlichten Entscheidung des BFH vom 22.5.2024, I R 2/21, kann sich bei einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in Form einer verhinderten Vermögensmehrung eine Vorteilseignung daraus ergeben, dass der Gesellschafter eigenen Aufwand erspart. Die Aufwand sersparnis kann sich auch aus dem Verzicht auf die Vereinbarung eines Erstattungs- beziehungsweise Ausgleichsanspruchs ergeben. Der Ansatz einer verhinderten Vermögensmehrung hat in dem Zeit punkt zu erfolgen, zu dem der Vermögensvorteil, der zu erzielen unterlassen wurde, hätte bilanziert werden müssen.
Sachverhalt:
Die Klägerin, eine GmbH, ist Teil einer Unternehmensgruppe mit einer in den USA ansässigen Muttergesellschaft, die X, die mittelbar über zwischengeschaltete Gesellschaften zu 100 % am Kapital der Klägerin beteiligt ist.
In den Jahren 2004 bis 2006 erhielt die Klägerin Aufträge von dem in Venezuela ansässigen Kunden Y. Anfang des Jahres 2007 belegten die USA den Staat Venezuela mit einem Wirtschaftsembargo, sodass US-amerikanische Unternehmen Abnehmer in Venezuela nicht mehr beliefern durften. Daher wies die Geschäftsleitung der X die Klägerin an, die von Y erteilten Aufträge nicht weiter auszuführen. Diese Entscheidung teilte die Klägerin der Y im Frühjahr 2007 schriftlich mit. Daraufhin machte Y Schadensersatz gerichtlich gegenüber der Klägerin geltend. In einem von der Klägerin angestrengten Schiedsverfahren vor der internationalen Handelskammer entschied diese in 2012, dass die Klägerin unter der aufschiebenden Bedingung, dass Y die in Venezuela erhobene Klage zurücknimmt, an die Y Schadensersatz, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und anteilige Verfahrenskosten zu leisten habe.
Die Klägerin bildete in ihren Jahresabschlüssen wegen etwaiger an Y zu leistender Schadensersatzzahlungen eine Rückstellung. Im Streitjahr 2011 zahlte die Klägerin Verfahrenskosten für das Schiedsverfahren. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung erkannte der Prüfer in der Zahlung der Verfahrenskosten sowie der Schadensersatzforderung (Aufstockung der Rückstellung) eine vGA, weil die Auftragsstornierung allein im Interesse der Konzernmutter erfolgt sei. Das Finanzamt folgte der Feststel lung und erließ deshalb gegenüber der Klägerin einen Änderungsbescheid über Körperschaftsteuer für 2011 mit einem um eine vGA erhöhten zu versteuernden Einkommen.
Nach erfolgslosem Einspruch gab das Schleswig-Holsteinische FG der Klage statt (Urteil v. 17.12.2020, 1 K 16/19, EFG 2021, 578). Dagegen wandte sich die Verwaltung mit der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das vorinstanzliche FG. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass im Streitfall eine verhinderte Vermögensmehrung bereits wegen ihrer fehlenden Eignung ausscheide, einen sonstigen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG bei der Gesellschafterin auszulösen. Deshalb hat es die erforderlichen Feststellungen dazu, ob eine Vermögensverschiebung von der Klägerin an ihre Gesellschafterin durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, bisher nicht getroffen.
Zwar hat das FG hat im Hinblick auf die von der Klägerin gezahlten Gerichtskosten und die Zuführung zur Rückstellung für drohende Schadensersatzansprüche eine vGA in Form der Vermögensminderung zu Recht verneint. Denn diese Vermögensminderungen waren nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Die Klägerin leistete die Zahlung aufgrund einer eigenen rechtlichen Verpflichtung an einen fremden Dritten und folglich nicht aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen. Entsprechendes gilt mit Blick auf das Risiko, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.
Dabei hat das FG hat jedoch eine vGA unter dem Gesichtspunkt einer verhinderten Vermögensmehrung wegen fehlender Vorteilseignung (sonstiger Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) rechtsfehlerhaft verneint, weil es die Rechtsgrundsätze des BFH zur Situation der Vermögensverlagerung durch eine Aufwandsersparnis beim Gesellschafter nicht beachtet hat. Eine Vorteilseignung kann sich bei einer vGA in Form einer verhinderten Vermögensmehrung insbesondere daraus ergeben, dass der Gesellschafter eigenen Aufwand erspart, weil die Gesellschaft ihn trägt (z.B. BFH v. 4.12.1996, I R 54/95, BFHE 182, 123; v. 17.5.2000, I R 79/99, BStBl II 2000, 480; v. 15.5.2002, I R 92/00, BFHE 199, 217; v. 14.7.2004, I R 57/03, BStBl II 2011, 285; v. 22.11.2023, I R 9/20, BFH/NV 2024, 731; v. 13.7.2021, I R 16/18, BStBl II 2022, 119). Eine solche Aufwandsersparnis kann sich auch aus dem Verzicht auf die Vereinbarung eines Erstattungs- beziehungsweise Ausgleichsanspruchs er geben (z.B. Senatsurteil vom 27.07.2016, I R 12/15, BStBl II 2017, 217; v. 9.7.2003, I B 194/02, BFH/ NV 2003, 1349). Dabei setzt eine verhinderte Vermögensmehrung entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zwingend eine Nutzungs- oder Ressourcenüberlassung an den Gesellschafter voraus.
Eine solche Aufwandsersparnis kommt auch im Streitfall in Betracht. Sollte die Muttergesellschaft X die Klägerin durch eine erteilte Weisung zu einem Vertragsbruch veranlasst haben, ohne dafür eine fremdübliche Gegenleistung zu erbringen, hätte sie insoweit Aufwand erspart. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde einen geschlossenen Vertrag einhalten, wenn er zu dessen Bruch nicht aufgrund äußerer Umstände (zum Beispiel gesetzliches Verbot) oder zur Verhinderung ei nes bei Vertragsdurchführung (ex ante) drohenden größeren Schadens gezwungen wäre. Andernfalls hätte ein Nichtgesellschafter einen solchen Geschäftsleiter allenfalls dann zu einem Vertragsbruch bewegen können, wenn er die Übernahme des damit verbundenen Schadensrisikos und einen angemessenen Gewinnausgleich verbindlich zugesagt hätte. Erreicht ein Gesellschafter dieses Ziel stattdessen aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen ohne entsprechende Zusagen, erspart er insoweit eigenen Aufwand.
Beratungshinweis:
Die heutige Besprechungsentscheidung zur Körperschaftsteuer behandelt im Rahmen einer vGA das Tatbestandsmerkmal der „Vorteilsgeneigtheit“, welches üblicherweise nicht näher betrachtet wird, weil es meistens unproblematisch vorliegt. Neben diesem Aspekt ist die Entscheidung auch lesenswert, da sie einen in der Praxis sicherlich häufigen Fall der konzerninternen Anweisung und möglicher steuerlicher Folgen betrifft. Der I. Senat des BFH bewertet den Vorgang - anders als die Vorinstanz (vgl. hierzu die Anmerkung von Göllner, EFG 2021, 578 ff.) - als vGA unter dem Gesichtspunkt einer verhinderten Vermögensmehrung durch Aufwandsersparnis. Der erkennende Senat konnte wegen fehlender entsprechender Feststellungen des FG nicht abschließend darüber entscheiden, ob die verhinderte Vermögensmehrung auf Seiten der Klägerin ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis gehabt hat. Das Schleswig-Holsteinische FG hat diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
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Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln. Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 37/2024 vom 17.09.2024 veröffentlicht