Zur Behandlung von Währungskursverlusten bei darlehensähnlichen Gesellschafterforderungen im Drittstaatenfall

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Nach der am 29.8.2024 veröffentlichten Entscheidung des BFH vom 24.4.2024, I R 41/20, mindern Währungskursverluste bei darlehensähnlichen Gesellschafterforderungen in Fremdwährung vor dem Inkrafttreten des § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG i.d.F. des Gesetzes vom 25.6.2021 (BStBl I 2021, 889) das Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht, da sie in den sachlichen Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 Satz 4 und 7 KStG fallen. In einem Drittstaatenfall steht Unionsrecht dem nicht entgegen; die auch im Verkehr mit Drittstaaten geltende Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) wird bei § 8b Abs. 3 Satz 4 und 7 KStG durch die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) verdrängt und ist nicht anwendbar. 

Sachverhalt: 

Die Klägerin ist eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige AG. Der weltweite Vertrieb ihrer Produkte und Dienstleistungen erfolgt überwiegend durch konzerneigene Tochtergesellschaften, teilweise aber auch durch fremde Dritte. Den Vertrieb in Brasilien übernahm die Tochtergesellschaft X-Ltda. Alleinige Anteilsinhaberin der X-Ltda war die Klägerin. Die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen rechnete sie gegenüber der X-Ltda in brasilianischer Landeswährung ab. Dabei gewährte sie der X-Ltda ein Zahlungsziel von 90 Tagen, ohne Währungskurssicherungsgeschäfte abzuschließen. 

Im Rahmen einer Außenprüfung stellte sich heraus, dass die X-Ltda ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin in den Jahren 2013 bis 2016 regelmäßig erst sieben bis neun Monate nach der Rechnungstellung beglichen hatte, während ein fremder Vertriebspartner in Argentinien die Forderungen im Schnitt nach 88 Tagen beglich. Aufgrund der verzögerten Zahlung der X-Ltda ergaben sich Währungskursverluste, die sich aus Wechselkursänderungen der brasilianischen Landeswährung, die zwischen dem Tag der Fälligkeit und dem tatsächlichen Ausgleich der jeweiligen Forderung eingetreten waren, errechnen. Das Finanzamt erließ für die Jahre 2013 bis 2016 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Körperschaftsteuerbescheide und rechnete die Währungskursverluste unter Berufung auf § 8b Abs. 3 Satz 4 bis 7 KStG außerbilanziell hinzu. 

Ein Einspruch blieb für das Streitjahr 2014 erfolglos. Auch das FG Baden-Württemberg wies die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 24.9.2020 (3 K 1486/19, EFG 2021, 402) als unbegründet ab. Hierbei stellte das FG u.a. darauf ab, dass das „Stehenlassen“ der fälligen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen für mindestens 90 Tage wirtschaftlich mit der Gewährung eines Darlehens ver gleichbar sei (§ 8b Abs. 3 Satz 7 KStG). Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin. 

Entscheidungsgründe: 

Die Revision hat keinen Erfolg. Das vorinstanzliche FG hat zu Recht entschieden, dass die streitigen Währungskursverluste nach § 8b Abs. 3 Satz 4 bis 7 KStG nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen sind. 

Die Klägerin hat ihrer Tochtergesellschaft X-Ltda, die mit einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist und deren alleinige Gesellschafterin sie war, zwar kein Darlehen im Sinne des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG gewährt. Das Stehenlassen der streitigen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen erfüllt aber unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Streitfalls die Voraussetzungen eines darlehensähnlichen Verhältnisses im Sinne des § 8b Abs. 3 Satz 7 KStG. Im Streitfall liegt nach den für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG ein ausreichender Finanzierungszweck vor. Denn die (rechtliche oder faktische) Verlängerung der ursprünglichen Zahlungsziele bezweckte, der X Ltda in einer wirtschaftlich angespannten Lage Liquidität zu überlassen und damit ihren Finanzbedarf zu sichern. 

Die Anwendung des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG auf Währungskursverluste ist umstritten. Die Finanzverwaltung und ein Teil der Literatur befürworten eine Einbeziehung der Wertminderungen durch Währungskursverluste (Landesamt für Steuern Niedersachsen, Verfügung vom 15.4.2020, DStR 2020, 1319 f.; Brandis/Heuermann/Rengers, § 8b KStG Rz 298; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8b KStG Rz 409; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 318; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz 245; bei rein nationaler Betrachtung - ohne Berücksichtigung unionsrechtlicher Einschränkungen - auch Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8b Rz 279i; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 467). Hierfür wird insbesondere auf den weit gefassten Wortlaut der Vorschrift sowie einen entsprechend klaren Willen des Gesetzgebers verwiesen. 

Dagegen vertritt ein anderer Teil der Literatur die Auffassung, § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG müsse in Bezug auf Währungskursverluste teleologisch reduziert werden (Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8b KStG Rz 111; Badde, BB 2019, 347, 348 ff.; Kempf/Loose, IStR 2021, 49, 53 f.; Pohl/Storz, IStR 2023, 670, 671 ff.; Rödder/Schumacher, DStR 2018, 705, 709; Winhard, IStR 2011, 237, 239 ff.; Zi nowsky/Jochimsen, DStR 2016, 2839, 2841 ff.; gleicher Ansicht FG Baden-Württemberg v. 27.9.2022, 6 K 1917/20, EFG 2023, 1166, anhängige Revision I R 11/23). Zur Begründung wird unter anderem darauf hingewiesen, dass es ansonsten zu einer asymmetrischen Besteuerung von (steuerlich nicht zu berücksichtigenden) Währungskursverlusten einerseits und (steuerpflichtigen) Währungskursgewinnen andererseits komme. Außerdem lasse § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG erkennen, dass die Veranlassung der Gewinnminderung durch das Gesellschaftsverhältnis für deren Nichtberücksichtigung maßgeblich sei. Deshalb müsse zwischen „beteiligungsspezifischen“ und „marktbestimmten“ Gewinnminderungen unterschieden werden. Währungskursverluste gehörten zu den marktbestimmten Gewinnminderungen, die nicht von der Zielsetzung des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG erfasst seien. 

Der erkennende Senat schließt sich - wie die Vorinstanz - der zuerst genannten Auffassung an. Ausgangspunkt ist der Wortlaut der Vorschrift. Die allgemeine Formulierung „Gewinnminderungen“ enthält keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung in Bezug auf Gewinnminderungen durch Währungskursverluste. Vielmehr beschränkt sich der Normbefehl des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG ausdrücklich auf die Einbeziehung weiterer „Gewinnminderungen“ in den Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG. Die steuerliche Behandlung damit korrespondierender Gewinnerhöhungen (hier: Währungskurs gewinne) spielt nach dem Wortlaut weder auf der Tatbestands- noch auf der Rechtsfolgenebene eine Rolle. Die Einbeziehung von Währungskursverlusten wird durch die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks 16/6290, S. 73) bestätigt, in der ausdrücklich „alle“ Gewinnminderungen angesprochen werden. Auch der Gesetzeszweck rechtfertigt ebenfalls keine einschränkende Auslegung des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG bei Währungskursverlusten. Schließlich ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Einbeziehung der Währungskursverluste in § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG verfassungswidrig ist. Insoweit wird auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen im Senatsurteil vom 12.3.2014 (I R 87/12, BStBl II 2014, 859) verwiesen (bestätigt durch das Senatsurteil vom 17.5.2023 (I R 29/20, BFH/NV 2023, 1195). Hieran hält der Senat weiterhin fest. 

Der Abzug der Währungskursverluste ist auch nicht aus unionsrechtlichen Gründen geboten. Zwar hat der Senat zur Unionsrechtskonformität von § 8b Abs. 3 Satz 3 und 4 KStG bisher auf die symmetrische Besteuerung von Gewinnen und Verlusten abgestellt (vgl. Senatsurteil v. 17.5.2023, I R 29/20, BFH/NV 2023, 1195, m.w.N.), die bei Währungskursgewinnen und -verlusten im Zusammenhang mit nach § 8b Abs. 3 Satz 4 und 7 KStG qualifizierten Gesellschafterdarlehen oder damit wirtschaftlich vergleichbaren Forderungen grundsätzlich nicht gegeben ist. Die X-Ltda ist aber in einem Drittstaat (Brasilien) ansässig, so dass eine unionsrechtliche Einschränkung nur auf Grundlage der auch im Verkehr mit Drittstaaten geltenden Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV, ABlEU 2008, Nr. C 115, 47) in Betracht kommen kann. Die Kapitalverkehrsfreiheit wird im Streitfall jedoch durch die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV verdrängt und ist nicht anwendbar. 

Beratungshinweis: 

In der heutigen Besprechungsentscheidung zur Körperschaftsteuer geht es um die Frage, ob Wechselkursverluste bei Fremdwährungsdarlehen zu einer Gewinnminderung i.S. von § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG führen können. Diese Frage war im Schrifttum umstritten. Der I. Senat des BFH bejahte die Frage und schloss sich damit der Entscheidung der Vorinstanz an (vgl. hierzu auch die Anmerkung von Hennigfeld in EFG 2021, 402 ff). 

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Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln. Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 35/2024 vom 03.09.2024 veröffentlicht